Eine Heilsbronnerin erinnert sich
Eine kleine Geschichte vom Geben, Helfen und Freundschaft. Sie spiegelt einen Teil des Lebens in der Nachkriegszeit wider und ist aus der Sicht eines Kindes geschrieben.
In Zeiten von Computer, Waschmaschinen und Hamburgers ist das Problem des Wäschewaschens und Sattwerdens für die jüngere Generation nicht alltäglich.
Erinnerung an die Nachkriegsjahre 1946 - 1947
Wir wohnten im Bahnwärterhaus an der Bahnstrecke Heilsbronn-Ansbach. Unser Schulweg ging etwa zweieinhalb Kilometer durch Wald und Flur. Meine sechs Geschwister und ich freuten uns immer über die vielen Leute, die bei uns in der Nähe im Wald zum Holzsammeln kamen. Eines Tages lernten wir eine Frau kennen, die mit ihren fünf Kindern bei uns im Hof war und sich mit unserer Mutter unterhielt. Die Kinder tranken sehr gern unser frisches Brunnenwasser. Sie erzählte uns, dass sie als Flüchtlinge aus dem Sudetenland nach Heilsbronn gekommen waren und am Lindenplatz wohnen. Das Haus gehört heute der Familie Zischler (Post und Blumengeschäft). Zugleich erzählte Sie unserer Mutter, dass in ihrer engen Unterkunft keine Möglichkeit zum Wäsche waschen sei. Es war nur ein kleines Wännchen für die tägliche Wäsche vorhanden, das Wasser mussten sie im Keller holen.
Unsere Mutter überlegte kurz und bot der Frau folgendes an: „Wissen‘s was, da nehmen‘s heute unseren Leiterwagen mit und fahren morgen ihre Wäsche zu uns her, wir haben ein Waschhaus mit Waschkessel, den schüren wir für warmes Wasser an und dann können Sie Ihre Wäsche bei uns waschen.“ Die Frau nahm das Angebot mit großer Freude an und kam darauf hin des Öfteren zum Wäsche waschen zu uns. Zu unserer Freude kamen die Kinder immer mit und spielten mit uns. Es entwickelten sich daraus Freundschaften, die noch heute Bestand haben.
Unsere Mutter backte immer große Brotlaibe für uns und gab auch den anderen Kindern davon. Sie bestrich die Brotscheiben mit selbstgemachter Ziegenbutter und Sirup. Es schmeckte allen bestens. Für uns war es selbstverständlich, dass geteilt wird und man armen Leuten hilft.
Die Familie aus dem Sudetenland hatte auch eine Oma und einen kriegsbeschädigten Onkel, diese beiden machten oft Spaziergänge zu uns ins Bahnwärterhaus und erzählten gern von ihrer früheren Heimat.
Am 70. Geburtstag meiner Mutter im Jahr 1979 brachten die drei ältesten Kinder von dieser inzwischen befreundeten Familie einen großen Fresskorb und gratulierten unserer Mutter sehr herzlich. Mutter war erstaunt und erfreut zugleich? und fragte, wie sie dazu kämen, ihr so ein großes Geschenk zu machen. Sie erzählten ihr, dass sie das selbstgebackene gute Butter-Sirup-Brot nie vergessen haben. Es schmeckte doch immer so köstlich. Mutter war sehr gerührt und meinte, das wäre doch eine Selbstverständlichkeit.
Frieda Ebert, geb. Wittmann
Die Familie Wittmann bewohnte das Bahnwärterhaus mit der Bezeichnung "Bahnposten 7i" bis zum Umzug in die Stadt Heilsbronn im Jahr 1954.
Danach wurde das Haus bis zum Jahre 1964 von einer weiteren Familie bewohnt. Wegen der Abgeschiedenheit zog jedoch auch diese Familie nach Heilsbronn. Das Haus wurde von der Deutschen Bundesbahn zum Abbruch verkauft. Die Käufer waren die letzten Bewohner, die Klinkersteine des Gebäudes wurden beim Bau des eigenen Hauses zur Gestaltung der Außenanlagen verwendet.
Inzwischen hat sich die Natur ihr Terrain zurückgeholt und die Spuren der Menschen vollkommen verwischt. Ehemalige Lage? des Bahnwärterhauses
Georg Ell